Alte Literatur über Kartenlegen und Wahrsagen mit Schafkopfkarten

Über jede nur erdenkliche Wahrsagekartenart gibt es mehr Literatur, als über die Schafkopfkarten. Das ist sehr verwunderlich, da man den Schafkopfkarten nachsagt, dass sie sehr genau in ihren Aussagen zu nehmen sind. Diesem Umstand möchten wir auf den Grund gehen, indem wir uns einmal näher mit diesen faszinierenden Wahrsagekarten auseinander setzen.

Jede einzelne Karte, der insgesamt 32 Karten, ist in ihrer Aussage sehr direkt und unmittelbar. Das große Hauptlegemuster, welches im Verlauf dieser Beschreibung sehr deutlich erklärt werden wird, ist auf eine ungewöhnliche Art sehr komplex und authentisch in der Gesamtaussage. Stein des Anstoßes bildet ein Büchlein, über den Umgang mit Schafkopfkarten zu Wahrsage Zwecken, aus dem Jahre 1914. Das Büchlein erschien in der damals sehr beliebten Reihe der Miniatur Bibliothek. Dieses alte und abgegriffene Buch ist in Altdeutsch geschrieben und sehr schwer verständlich für jene, die sich noch nie mit der Mundart und der Schriftform aus dieser Zeit befasst haben. Wir werden uns bemühen, anhand einiger Originalzitate, den gesamten Inhalt des Buches, nebst Kartenbedeutungen und Kombinationen, sowie auch Legemuster in unsere aktuelle Zeit zu transferieren.

Auf jeden Fall sollte dabei berücksichtigt werden, dass es in jener Zeit schwierig war, über das Kartenlegen zu schreiben, wenn man bedenkt, dass das Kartenlegen zu divinatorischen Zwecken zwar nicht offiziell verboten war, aber dennoch sehr streng geahndet wurde, wenn sich jemand betrogen fühlte und eine Kartenlegerin angezeigt hat. Deshalb wird die Kartenwahrsagerei mit einem Augenzwinkern dargestellt und für den weniger sensiblen Leser sogar als Humbug, Betrug und bloße Spielerei zum Zeitvertreib deklariert. Hier einmal 2 Originalzitate in Originalschreibweise, welche dies sehr deutlich wieder geben:

Zitat 1

Allerdings hat ja heutzutage das Handwerk der Kartenschlägerin nicht mehr den goldenen Boden als am Anfang des vergangenen Jahrhunderts, wo die Kunst des Kartenschlagens durch Marie Lenormand, „die berühmteste Wahrsagerin des 19. Jahrhunderts“, ganz besonders gefördert wurde; aber ganz ausgestorben ist heute diese „ehrenwerte Kunst“ der Schwindlerinnen noch nicht, und so dringend Aufklärung not tut, so wenig dürfen wir über die gute alte Zeit mit ihren Schwächen lachen.

Zitat 2

Die vornehme Dame rivalisiert darin mit ihrer Kammerzofe, die gern wissen möchte, ob auch ihr Fritz, der bei den letzten Sportwettkämpfen einen Preis errungen hat, ihr die versprochene Treue halten wird. Solche rückständische Naturen, die von fantastischem Aberglauben befangen sind, bei denen obendrein der stärkste aller Herzenstriebe mitspielt, die Liebe, die nicht nur unreifen Jünglingen und Mädchen, sondern auch starken Männern und lebenserfahrenen Frauen den klaren Blick und Verstand zu trüben vermag, werden nur zu leicht die Beute frecher Schwindler.

Und so geht es weiter, dass es nur geistig Schwachen und Ungebildeten nachzusehen wäre, sich der Kartenschlägerei (Kartenlegerei) in der einen, oder anderen Form, zu widmen. Der Anfangsteil dieses Buches ist an manchen Stellen sehr bestürzend und aggressiv, wie dieses Zitat über eines der dunkelsten Kapitel Europas wiedergibt:

Zitat

Erwägt man die Jahrhunderte lange Periode, wo Ketzerscheiterhaufen flammten und die Folterwerkzeuge der Inquisition arbeiteten und den, wenn auch späten, so doch endlich siegreichen Durchbruch des Lichtes der Aufklärung und Humanität, so kann man hoffen, dass auch endlich einmal jene mystischen und doch so deutlichen Worte: „Blick in die Zukunft; Dunkelgässchen 5, 3 Treppen“ als Inserat aus den Lokalblättern verschwinden werden und damit auch die letzte der modernen Lenormands zu Grabe getragen ist.

Aus diesem Abschnitt geht hervor, dass es um 1914 Zeitungsanzeigen gegeben hat, in denen Kartenschlägerinnen (Kartenlegerinnen), Zauberinnen (spirituelle Menschen) und Wahrsagerinnen ihre Dienste angeboten haben. Dies war der Gesellschaft ein Dorn im Auge und deshalb wurde jeder Prozess gegen eine Kartenschlägerin ein Schauprozess.

Die Inquisition wird in diesem Buch verherrlicht und spirituelle Menschen werden verunglimpft und das auf menschenverachtende Weise, obwohl in dem Artikel von Humanität die Rede ist, das ist der blanke Hohn für jeden fortschrittlichen Geist. Deutlich ist zu lesen, dass es sich bei diesem Buch um ein Werk handelt, indem zwar das Kartenlegen als solches genau erklärt und vorgestellt wird, aber trotzdem würde es lieber gesehen werden, dass es erst gar keine Grund geben sollte, solch ein Buch zu schreiben. Dieser Zwiespalt überbringt jedem Leser einen sehr authentischen Gruß aus jener Zeit, in der eine Kartenlegerin keine Chance hatte gegen Verleumdungen und Denunzierungen.

Die Kartenschlägerei, wurde dem Aberglauben zugeschrieben und offen als Unsinn abgetan. Kartenschlägerinnen wurden übel beleumdet und niemand nahm daran Anstoß. Das Kartenschlagen hat seinen Ursprung im Alltag des gemeinen Volkes, so wurde das Kartenschlagen im Sinne von Wahrsagen durch Karten verallgemeinert, herabgewürdigt und verharmlost.

Das Kartenschlagen

Das Kartenschlagen ist ein Begriff aus der Kneipenszene, zum einen ist es ein Kartenspiel, bei dem es darum geht, dass der Verlierer einen ausgeben muss. Und zum anderen rührt das Kartenschlagen daher, dass die Karten geräuschvoll auf den Tisch geknallt (geschlagen, „gekloppt“) werden, oder aber ein Kartenspieler vom anderen geschlagen wird. Kartenschlagen –> Missbrauch von Spielkarten, oder unsachgemäßer Umgang mit Spielkarten.

Klar ist auch, dass die „moderne Sybille“, wie Kartenschlägerinnen in jener Zeit genannt wurden, für das Kartenschlagen bei Anklage ins Gefängnis, oder ins Zuchthaus mussten. Sie wurden sogar für den einen, oder anderen Selbstmord zur Verantwortung gezogen, da man annahm, sie hätten ihn herbeigeführt.

Kartenschlagen zum Wahrsagen war kein Kavaliersdelikt am Anfang des 19, Jahrhunderts. Hatten die Kartenschlägerinnen dann irgendwann ihre Strafe abgesessen, dann gingen sie ihrer Zunft wieder nach mit Schafkopfkarten, Lenormandkarten, Tarotkarten oder Zigeunerkarten. Immer wieder wird davor gewarnt, sich nicht von Kartenschlägerinnen übers Ohr hauen zu lassen. Auf der einen Seite verhöhnt der Autor dieses Buches, Augustus Toca, das Kartenschlagen als Aberglaube, aber auf der anderen Seite bezeichnet er Kartenschlägerinnen als Zauberinnen, Schwarzkünstlerinnen, Sybillen, moderne Pythien und Wahrsagerinnen, die die „schwarze Kunst“ betreiben.

Zitat:

Leider wird aber dem „Geschwafel“ der modernen Sybillen nur zu leicht Glauben geschenkt, und schon mancher hat dadurch über sich und seine Familie Unglück gebracht.

Der Autor dieses Buches hat mit Warnungen nicht gespart, nur um seinen Lesern Folgendes zu versichern:

Zitat:

Und wenn die Anleitung zum Kartenlegen in diesem Büchlein nur zum kleinen Teile dazu beiträgt, dass dieser oder jener von dem Wahn befreit wird, dass die Kartenlegerinnen Zukünftiges vorhersagen können, dass so mancher einsieht, dass das Kartenlegen ebenso ein Unterhaltungsspiel ist, wie alle anderen Kartenspiele, so ist es doch nicht ganz vergeblich geschrieben und erfüllt seinen Zweck.

In aller Kürze werden hier in diesem Blog, nach den originalen Vorgaben aus dem o.b. Buch, Schafkopfkarten im Einzelnen beschrieben, sowie deren Kombinationsmöglichkeiten und Beispiellegungen dargestellt. Ferner wird genauestens auf das Mischen, Abheben, Aufnehmen und Auslegen der Schafkopfkarten, nach der damaligen, aber heute unbekannten Methode, eingegangen.

Wir versichern jetzt schon ein sehr spannendes Leserlebnis und das nicht nur für (Schafkopf-, )Kartenlegenprofis.

In diesem Sinne viel Spaß beim Erkunden der Schafkopfkarten zum Zwecke des Kartenschlagens!

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Quelle: Büchlein “Das Kartenlegen” von Augustus Tora, aus dem Jahre 1914, erschienen in der damals sehr beliebten Reihe der Miniatur Bibliothek

Bildquelle: deutsch-polnische Wahrsage-Spielkarten, kolorierte Radierung,
Anfang 19. Jahrhundert
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