Die Gothic Szene – Das dunkle Leben

Die Gothic Szene ist eine seit den frühen achtziger Jahren existierende Subkultur, die sich in Musik, Kleidungsgeschmack und Lebensphilosophie von den meisten anderen Jugendkulturen stark abhebt. Aufgrund der vorherrschenden Farbe ist die Kultur auch als schwarze Szene bekannt. Die Anhänger werden in Deutschland nicht selten als Grufties bezeichnet. Augenscheinlich beschäftigen Goths sich überwiegend mit schaurigen Themen wie Vergänglichkeit und Tod. Doch hinter diesen Gedanken stecken meist tiefer gehende Gedanken.

Auch wenn der Name Gothic sich an die mittelalterliche Gotik anzulehnen scheint, sind die Goths in ihrer Retrospektive eher der Romantik oder dem viktorianischen Zeitalter zugetan. Das Interesse am Mittelalter, das in einigen Nebenszenen hochgehalten wird, ist durch den romantischen Blick sehr verklärt und blendet die negativen Aspekte dieser Epoche gerne aus. Es ist ein Mittelalter, das aus Ritterromanen und ähnlichen Heldengeschichten überliefert wurde, welches zum Idealbild einer besseren Welt erkoren wurde. Mit diesen Romanen wurde auch das Interesse an fantastischen Figuren und Mythengestalten wie Kobolden, Drachen und Vampiren zu einem Teil der Szene. Der romantische Wahlspruch „carpe diem“ lässt die Goths der heutigen Zeit häufig über die Vergänglichkeit des Lebens nachdenken. Die regelmäßige Erinnerung an den Tod, die in Mode und Musikgeschmack allgegenwärtig ist, soll dabei helfen, den Wert des Lebens zu erkennen. Durch diese Beschäftigung mit dem Tod und den Mythen des Mittelalters verehren viele Anhänger der Gothic Szene auch alle übernatürlichen Kräfte und interessieren sich in unterschiedlicher Intensität für magische Rituale oder unbekannte Religionen.

Eines der wichtigsten Merkmale für jeden Anhänger der schwarzen Szene bleibt aber die Individualität. Im Gegensatz zu vielen anderen Subkulturen ist es bei Goths nicht üblich, einem Modetrend zu folgen oder die Inspiration für die eigene Kleidung ohne weitere Überlegungen von anderen Personen abzuschauen. Viele gelangen in die Szene, weil sie mit der Mainstream-Kultur nicht mehr zurechtkommen und sich über die Sinnlosigkeit des Daseins beklagen. Viele Goths sind sehr introvertiert und kümmern sich nur wenig darum, wie gut oder schlecht andere in der Szene sich an die Subkultur angepasst haben. Die Verbindungen, die die Anhänger der Szene zueinander haben, können sehr vielfältig sein. Einige erfreuen sich an der gleichen Art von Musik, andere fühlen sich einander zugehörig, weil sie einen ähnlichen Kleidungsstil pflegen, wiederum andere können nur wenig mit den äußeren Merkmalen der Szene anfangen, pflegen aber ähnliche Lebensphilosophien.

Da die Gothic Szene nicht von Moden geprägt ist, bleiben viele ihr bis ins hohe Alter anhängig. Noch immer sind einige der frühesten Szenemitglieder regelmäßig bei entsprechenden Treffen zu finden. Gleichzeitig interessieren sich immer wieder junge Menschen neu für die Szene. Viele von den Jugendlichen bleiben nur kurz dabei. Sie befinden sich in einer Phase der Selbstfindung. Die Gothic Szene liefert hier eine willkommene Möglichkeit, sich frei und individuell zu entwickeln, ohne von Moden oder gesellschaftlichen Vorschriften eingeengt zu werden. Nicht wenige finden über diese etwas ins Depressive reichende Subkultur einen Weg für sich, der zwar nicht in der schwarzen Szene ihr Ziel findet, doch von der von den Grufties geprägten Individualität deutlich geprägt wird. Andere können sich für die Kultur, welche den Tod gerne in den Mittelpunkt stellt, so begeistern, dass sie ihr gesamtes ästhetisches Verständnis daran ausrichten. Friedhöfe und religiöse Symbole, welche sich mit der Vergänglichkeit beschäftigen, werden gerne als Stilmittel sowohl bei der Kleidung als auch bei der Einrichtung der Wohnung als Vorbild genommen. Dabei muss das Leben eines solchen Grufties bei Weitem nicht düster sein. Die ständige Erinnerung an den Tod führt zu einem besonderen Humor, der den Wert des Lebens oft besser zu schätzen weiß, als manche andere Kultur.