Ab in die Kiste

Man begegnet Ihnen nicht oft – den Goths. Unter den 80 Mio. Bundesbürgern gehen die geschätzten 60.000 Anhänger der Sub-Kultur fast unter. Doch hier beginnt bereits das Problem. Wie erkennt man einen Goth? Ein weitverbreiteter Irrtum, dass der Goth eine tiefschwarze Seele und eine ebensolche Kleidung besitzen muss. Nein, Goth zu sein ist mehr eine innere Geisteshaltung und ein bestimmtes Lebensgefühl, dass sich auch optisch nach außen hin präsentieren kann, aber nicht zwangsläufig muss. Doch für weit mehr Verwirrung als die Kleidung sorgt ein Gerücht, dass dem konservativen Bürger einen Schauer über den Rücken jagt. Stimmt es, dass die Goths in Särgen schlafen?

Todessehnsucht oder morbide Begeisterung?

Zunächst stellt sich die Frage, woher die Faszination für den Tod im Allgemeinen und den Sarg im Besonderen überhaupt kommt. Die Frage ist nicht neu, denn woher wir kommen und wohin wir eines Tages gehen müssen, beschäftigt nicht nur die Goths. Nur verdrängt die breite Masse gern den Gedanken ans Ableben und hofft insgeheim, dass Gevatter Tod erst einmal an der Tür des Nachbarn anklopft. Für den Goth hingegen sind Tod und die finisteren Seiten des Lebens normaler Bestandteil des Alltags. Was nicht bedeutet, dass er eine Todessehnsucht hegt. Ein Goth neigt im Allgemeinen zur Melancholie und ist ein leicht in sich gekehrter Mensch. Die Gothic-Kultur ging ja einst aus der Musikszene hervor und auch die Gothic-Novel trug ihren Teil dazu bei. Es ist demnach kein Wunder, dass sich in der Gothic-Szene viele talentierte Künstler tummeln. Jemand, der sich in Internet-Foren auf die dunkle Welt einlässt, erkennt schnell, dass es mitunter um die gleichen Themen geht, denen sich auch andere Foren widmen. Auch eine Gothic-Anhängerin ist vom Single-Leben nicht begeistert und wünscht sich den passenden Partner. Doch es dürfte klar sein, dass ein Ballermann-Partyhengst schlecht zur melancholischen Fledermaus passt. Auf eine andere im Forum gestellte Frage, ob sich ein Goth vorstellen könnte, im Sarg zu schlafen, reagierten dann die meisten mit Ablehnung. Schlafen im Sarg – demnach nur ein Mythos?

Die dunkle Welt und ihre Schatten

Wie in jeder Sub-Kultur gibt es auch bei den Goths Anhänger, die ihren Fetisch gerne extrem ausleben möchten. Dass es kein reiner Mythos ist und Menschen es vorziehen, im Sarg zu nächtigen, zeigt sich schon an der Tatsache, dass Schlafsarghersteller ihre Dienste anbieten. Und dabei handelt es sich nicht um lieblos zusammengezimmerte Holzkisten. Da wird das schwarz lackierte Vollholz gegen Aufpreis mit Swarovski-Kristallen verziert und das Innenleben mit bequemen Innenpolstern und Satin ausgestattet. Auch der verbreiterte Schlafsarg wird mit 88 cm für die Partnerin zu schmal sein, aber der Single-Goth kann hier angenehm nächtigen. Die Nachfrage regelt das Angebot. Würde es mehr Schlafsarg-Goths geben, könnte ein regelrechter Sargmarkt entstehen. Eine leicht morbide, aber durchaus amüsante Vorstellung. Der Slogan an der Eingangspforte des Schlafsargverkäufers könnte lauten: „Kaufen Sie bei uns, denn wie man sich bettet so siecht man!“ Ein Goth, der nicht gleich viel Geld ausgeben, sondern die Sache erst einmal ausprobieren will, sollte nach Berlin reisen. Dort gibt es ein Hotel, dass jedes Zimmer nach einem speziellen Motto gestaltet hat. Ein „Sargzimmer“ ist ebenfalls im Angebot. Der Reiz einer „Sargnacht“ liegt indessen nicht in der Todessehnsucht, sondern am Nervenkitzel. Wer kennt ihn nicht, den Gruselfilm, der sich im Kopf abspielt – lebendig begraben! Wenn sich der Deckel schließt, kann sich der Goth seinen Klaustrophobie-Damönen stellen. Zarte Gemüter sollten dieses Experiment jedoch unterlassen, denn der große Bruder der Klaustrophobie heißt – Wahnsinn.